100 Meilen mit 7000 Höhenmetern – Mir ist von Anfang an klar, dass ich mich auf keine einfache Aufgabe einlasse. Von Bergwanderungen in der Region kenne ich kleine Teilstrecken, die landschaftlich wunderschön, teils auch spektakulär, und von der Wegbeschaffenheit her auch anspruchsvoll sind.
Rahmenbedingungen
Die erste Herausforderung ist aber die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Bis Pordenone ist die Anreise von München aus mit ICE bis Villach und Reisebus bis Pordenone komfortabel, aber die Busverbindungen für die letzten 19 Kilometer von dort zum Startort Vivaro kann man an einer Hand abzählen. Dafür bekommt man dann gut eine Stunde lang eine Rundreise durch fast alle Dörfer in der Magredi-Ebene. Beim Lauf werden wir davon nur von den Bergen aus die Lichter sehen, weil wir das Flachland vorwiegend in riesigen ausgetrockneten Flussbetten durchqueren werden.
Die Leute vom Organisationsteam waren uns ausländischen Teilnehmern gegenüber sehr hilfsbereit und hätten uns auf Wunsch auch nach Pordenone chauffiert. Vielen Dank nochmals!
Insgesamt habe ich von München aus nur zweimal umsteigen müssen, und bin direkt am Startbereich und wenige Gehminuten vom Hotel abgesetzt worden.
Meine Rückreise war am Sonntag, wo noch weniger Busse fahren. Da hat mich ein Einheimischer zu einem Bahnhof mitgenommen. Für den Eisenbahnstreik konnte er ja nichts.
Ordentliche Unterkünfte gibt es in Vivaro, anständiges Essen auch. Wir hatten auch eine Duschgelegenheit, einen umgebauten WC-Wagen mit richtig heißem Wasser.
Ich hatte Urlaub und bin schon am Mittwoch angereist, hatte also praktisch zwei Tage in Vivaro. Das war nicht sehr spannend, aber erholsam.
Nach Berglauf sieht die Strecke vom Start/Zielbereich wirklich nicht aus: Im Umkreis von 20 Kilometern ist alles völlig flach, nur im Hintergrund sieht man ganz bescheidene grüne Berge – wenn sie sich nicht hinter Wolken verstecken.
Der Lauf beginnt daher auch sehr flach: ca. 20 Kilometer laufen wir in einem Flussbett auf einer Sandpiste in die Abenddämmerung und in die Nacht.
Briefing/Start
Das Briefing im Gemeindehaus war dreisprachig (italienisch, deutsch und englisch) und eigentlich ganz unterhaltsam. Bei uns Ausländern ist angekommen, dass die Strecke technisch nicht besonders schwer ist. Einzelne haben daraus sogar gefolgert, dass eine Fahrradbegleitung möglich sein müsste. Nur der letzte Abstieg wurde als gefährlich angekündigt, vor allem als rutschig.
Ich hatte die Gegend anders in Erinnerung. Vielleicht ist die Strecke für einen richtigen Ultraläufer auch leicht, und ich bin nur zart besaitet. Egal, wir werden alle die gleiche Strecke laufen.
Nach dem Briefing wollte ich noch etwas mit vielen Kohlenhydraten essen, wie zu Mittag, am besten wieder Nudeln. Ich war nicht der einzige, und wir fanden heraus, dass dafür um diese Zeit nur die Lebensmittelläden und das Hotel-/Bauernhofrestaurant in Frage kommen.
Minuten später stehen 20 Leute, ein Viertel der Starter, im ansonsten leeren Restaurant, und wollen Nudeln. Die Kellnerin schaltet schnell, und wir einigen uns schnell auf 2 Menüs: Spaghetti mit Fleischsoße und Spaghetti mit Tomaten. Die Portion ist etwas klein, aber zwei Stunden vor dem Start ist das vielleicht gut so.
Jetzt wird es langsam ernst. Immer mehr Läufer versammeln sich auf den Bierbänken um den Startbereich am Hauptplatz neben der Kirche. Stimmt die Ausrüstung? Laut Ausschreibung muss hier jeder seinen Trinkbecher mitnehmen – nach meiner Interpretation. Die automatische Übersetzung macht ein „Glass“ draus. Eine Läuferin hat das als Sonnenbrille interpretiert. Die hab ich auf Grund der Wettervorhersage nicht dabei, und mein „Glas“ ist eine Stahltasse.
Mensch, bin ich nervös.
Ich lasse mich davon überzeugen, dass es Unsinn ist, von Anfang an all meine Wassertanks zu füllen, die Trinkblase mit 2 Litern und die Halbliterflasche. Ich gebe einen Liter einem Blumenkübel ab.
Zum Start werden wir einzeln aufgerufen, der Startnummer nach. Mit genau 5 Minuten Verspätung geht es dann los.
Das Feld zieht sich schnell auseinander. Ich bin mit Nummer 73 weit hinten gestartet und lasse mich noch überholen. Beim Warmlaufen unterhalte ich mich mit einzelnen Laufkollegen, vor allem mit Albano und Sergio, während wir gemächlich auf einer recht ordentlichen Sandpiste in den Sonnenuntergang joggen.
Nach und nach finde ich meinen Rhythmus und lockere die Bremse. Bald habe ich zu einer Gruppe aufgeschlossen. Ich konzentriere mich nur darauf, locker zu laufen, und ziehe vorbei. Inzwischen ist es dunkel, und wir queren ein grobes Kiesbett. Das ist wie zu Hause an der Isar. Ich freue mich, dass ich auch die reflektierenden Wegmarkierungen sehe, und passiere noch einige Läufer. Irgendwann bemerke ich, dass Sergio mir noch auf den Fersen ist. Nach und nach rollen wir nach vorne. Nach einem Getränkestand wechseln wir die Richtung und den Untergrund, und laufen auf einem meistens breiten Teerweg, jetzt mit minimalen Steigungen und Gefällen. Ich merke, dass Sergio bergab jeweils kurz zurückfällt, und ich habe das Gefühl, dass wir langsam aber kontinuierlich beschleunigen. Zumindest sind wir auf der Überholspur. Endlich erreichen wir eine beleuchtete Ortschaft – und verlieren prompt den Faden. Wo ist die nächste Markierung? Im Zweifelsfall geradeaus? Ich schalte mein GPS ein, damit ich es später in solchen Fällen griffbereit habe.
Tatsächlich können wir es bei einigen der ersten Abzweigungen im Wald und am Berg brauchen. Ein paar Läufer kommen uns sogar entgegen – aus der richtigen Richtung! Dafür wäre ich fast an einem Ristoro vorbeigelaufen, wenn mich nicht ein einheimischer Läufer darauf hingewiesen hätte. Hier gibt es warmen Tee und Zwieback – ein Festmahl.
Ab jetzt wird der Waldweg steiler und steiniger. Bergauf bin ich noch hinten in einer Gruppe, hinter einem jungen Läufer ohne Stöcke. Bergab setze ich mich dann ab, lasse mich einfach rollen, das habe ich zwei Jahre lang trainiert. Als ich mich zum nächsten Mal umschaue, bin ich allein. Haben die sich wieder verlaufen? Markierungen sind noch da. Jetzt geht es einen groben Forstweg bergauf, später einen Wanderweg. Wo dieser in eine Forststraße mündet, gibt es wieder einen Getränkestand – und Menschen.
Mehr und mehr schraubt sich der Weg in die Höhe. Immer öfter beben Lücken im Wald Ausblicke auf die Ebene frei. Wo man tagsüber nur Felder sieht, ist jetzt ein Lichtermeer!
Irgendwann geht’s auf einem ausgewaschenen Wanderpfad ein gutes Stück einen grünen Kamm entlang bergauf, und es beginnt zu regnen. Bis ich die erste Life Base erreiche, eine urige Almhütte, ist es richtig nass. Jetzt gibt es warmes Essen und Feldbetten. Ich schlafe hier nicht, sondern setze mich zu ein paar Leuten, die zur Alm zu gehören scheinen, auf ein Feldbett, und esse einen Teller Nudeln. Meinen Vorratsbeutel lasse ich im Vorratsraum liegen und esse eine zweite Portion Nudeln, zu einem Becher Brühe und Wasser und Tee.
Nach einem Espresso geht es hinaus aus der gemütlichen Stufe in den Regen.
Wenigstens geht es jetzt kaum noch bergauf, sondern vorerst auf einer Forststraße wellig dahin. Zwischendurch gibt es ein längeres Stück Waldpfad, das sehr schön ist, aber Konzentration erfordert. Dahinter folgt eine steile Abfahrt auf einer Straße. Das ist eigentlich meine Spezialität, aber die Steine sind so grob, dass ich stellenweise ins Straucheln komme und sogar einmal überholt werde , von zwei tschechischen Burschen, von denen sogar zum zweiten Mal, nachdem sie zuvor an einem Feuer eine Pause eingelegt haben. Der Weg scheint nicht enden zu wollen, was mir recht ist, da ich trotz einzelner Verstolperer recht zügig unterwegs bin, und mich etwas erholen kann.
Als der Lago Barcis immer näher kommt, wird es flacher. Ich lande auf einer nagelneuen Teerstraße, die, wieder recht steil ist und zum See hinabführen müsste. Hier schaffe ich es, in vollem Lauf in eine Abfluss-Querrille zu treten – und mich dabei nicht zu verletzen.
Am See gibt es wieder einen Getränkestrand, und ich freue mich auf ein flaches Wegstück. Aber direkt am Stand geht es wieder nach oben in den Wald. Im Nebel beziehungsweise mit immer wieder beschlagender Brille habe ich richtig Schwierigkeiten, den Markierungen zu folgen.
Gerade als ich keine Orientierung mehr habe, lande ich auf einer Fahrstraße am See. Dort ist es nicht mehr weit zum nächsten Ristoro, einer Halle fünf Meter unterhalb der Straße (leicht zu übersehen). Nach etwas Brot und einigen ordentlichen Schluck geht es auf der Straße weiter. Belluno steht auf einem Orientierungsschild, das war einmal über zwei Wochen lang das Ziel einer Alpenquerung.
Diesmal geht es in eine andere Richtung, nach Poffabro. Dorthin ist erst einmal ein sehr steiler Wanderweg zu überwinden, stellenweise gefühlt fast senkrecht, das bisher härteste Stück des Laufs. Ein Kontrollposten sagt mir, dass ich einundzwanzigster bin. Das ist sensationell für mich, aber bisher ist es auch extrem gut gelaufen, und ich habe noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter mir.
Nach dem nächsten Getränkestand geht es auf einem schmalen Pfad weiter bergauf. Auf einmal scheint der Weg an einem Jägerstand zu enden, und ich sehe auch keine Markierung mehr. Lauf GPS bin ich tatsächlich einige Meter neben dem Weg. Ich schau mich um und sehe eine Felswand. Laut GPS müsste der Weg dort oben sein. Ich habe wohl eine Abzweigung verpasst.
Genau das erzähle ich einem Läufer, der mir entgegen kommt. Der will es aber offensichtlich nicht glauben, und läuft meinen Irrweg nach. Ich bin momentan so aus dem Konzept, dass er mich wieder eingeholt hat, bis ich an der richtigen Abzweigung bin, und mir bald entschwindet.
Jetzt geht es hinauf zu einem richtig alpinen Kar, das auf einem schmalen Pfad gequert werden muss, leicht zu laufen, aber schmal und abschüssig. Danach geht es mehr oder weniger steil einen Wald- und Wiesenweg hinunter, über die Terrasse einer Almhütte, weiter hinunter, über ein Flussbett, weiter durch den Wald, bis man vor einer riesigen Kirche steht.
Danach gibt es wieder Wald, aber bald kommt Poffabro, ein museumsreif schönes Dorf, das ich schon bei Tageslicht bewundern kann. An dessen Rand liegt ein Sportplatz mit der zweiten Life Base. Hier gibt es wieder Nudeln, eine Toilette und den zweiten Vorratsbeutel, wo ich den ersten Satz Batterien für die Stirnlampe auswechsle, die zuletzt schon nachgelassen hat. Das GPS läuft noch, und einen Satz Ersatzbatterien für beide Geräte habe ich sowieso einstecken. Vorsichtshalber trage ich noch Sonnencreme auf, wobei ich im kuschlig saunaartig warmen Massage- und Ruheraum fast einschlafe, wo die Luft heiß von der Heizung, und vom Duschen einzelner Laufkollegen gesättigt feucht ist.
Ich ziehe mich nicht um, mache kein Nickerchen, brauche aber doch recht lange. Aber die Zeit für notwendige Geschäfte muss sein, und auch die zwei Teller Nudeln genieße ich in Ruhe. Dann sind sie bekömmlicher und spenden länger Energie. Ich wechsle noch ein paar Sätze mit einem polnischen Kollegen, der inzwischen angekommen ist, und noch vor mir weiter rennt. Gerade noch fällt mir auf, dass ich meine Stöcke im Massage- und Vorratsraum vergessen habe, dann geht es frisch betankt und etwas müde weiter, auf in den ersten Tag.
Bald geht es auf einem Wanderweg in ein immer steiler werdendes hoch mit Gras und Gebüsch gewachsenes Kar. Herrlich ist die Landschaft. Das könnte jetzt der Abschnitt mit den tausend Höhenmetern sein auf zweieinhalb Kilometer sein. Ich laufe in einen Kessel hinein und sehe keinen anderen Weg, eigentlich nur je ein paar Meter vor mir, und das eine oder andere Stück Trassierband.
Berge und Meerblick
Zum Glück ist es noch frisch am Morgen und nicht sehr sonnig, da ist es nicht so heiß in diesem steilen Südhang. Eigentlich mag ich diesen steilen Serpentinenanstieg. Was heißt eigentlich? Ich bin seit vielleicht 15 Stunden unterwegs und fühle mich noch gut! Meine Lauftaktik geht bisher auf: Bergauf schiebe ich voll mit den Stöcken an, lasse die Beine ausruhen. Bergab lasse ich der Schwerkraft ihren Lauf, strenge mehr den Kopf an als die Beine. Nur im Flachen „brauche“ ich die Beinmuskeln, und auch da versuche ich, durch einen natürlichen Rhythmus die Kraft von den Beinen zu nehmen. Das liest sich sehr theoretisch, aber ich glaube daran, habe das geübt, und bisher funktioniert es. Schnell bin ich dadurch nicht. Vor allem bergauf werde ich normalerweise ständig überholt, aber ich kann mich unterm Laufen jeweils etwas regenerieren.
Wo sind eigentlich die anderen? Ich höre nichts außer mein Rascheln, und sehe nur Landschaft, obwohl der steile Hang unter mir sehr übersichtlich ist. Und endlos hoch geht es hinauf! Zum ersten Mal geht mein Wasservorrat aus. Am Kamm schau ich mich erst mal richtig um. Jetzt sehe ich – etwas trüb – die ganze Ebene bei Tageslicht vor mir. Ob die größeren Städte im Hintergrund Venedig und Triest sind? Dann müsste die Linie zwischen der linken und der rechten Stadt der Küstenstreifen sein. Dann wäre das dahinter, wo einige Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brechen – das Meer! Ein Berglauf mit Blick auf die Adria!
Hier oben geht es einigermaßen flach, und mit schönen Aussichten auf einem schmalen Pfad dahin, grün, trocken, friedlich. Ich möchte jetzt nirgendwo anders sein. An einer Almhütte zeige ich wieder mal einem Streckenposten meine Startnummer vor. Der erklärt mir, dass es noch 20 Minuten bis zum nächsten Ristoro seien. Vorsichtshalber bitte ich um einen Schluck Wasser. Nach einigen guten Schluck und einem schönen Wiesenweg komme ich einigermaßen entspannt am nächsten Ristoro an. Hier pausieren gerade zwei Laufkollegen. Einer macht sich gerade laufbereit, ein junger Mann mit Vollbart sitzt sichtlich erschöpft, aber entspannt mit mir am Tisch. Ich bekomme jede Menge Gemüsebrühe. Dazu esse ich einige winzige Panini. Mehr brauche ich nicht. Ich frage, ob man vom Berg aus das Meer sieht. Kein Meer, ein Stausee. Nein auf der anderen Seite, was man von da oben sieht. Mein Italienisch ist noch nicht so gut, so dass es eine Weile dauert, bis ich mich verständlich gemacht habe. Gestärkt und gut gelaunt mache ich mich an den Abstieg. Auch der ist für einen „Radweg“ recht grob. Angesichts der steilen Wände direkt über der Straße wundert mich das nicht. Der Schotterbelag dürfte sich hier von selbst ständig erneuern.
Am Stausee bin ich wieder in bekanntem Gelände. Hier war ich vor einem und vor neun Jahren schon mal. An der Staumauer schenkt eine Frau Getränke aus. Sie weiß, dass das ein sehr, sehr langer Tag für sie und ihren Mann werden wird.
Den Weg um das untere Ende des Stausees herum zum Tunnel hatte ich weniger steil in Erinnerung. Aber dafür ist die Steigung in den beiden mehrere Kilometer langen Tunnels kaum spürbar. Bloß völlig durchgeweichte Füße habe ich danach. Oft konnte ich Pfützen ausweichen, aber angesichts des Resultats hätte ich mir die Konzentration sparen können. Nach dem zweiten Tunnel, an der Staumauer des Lago di Ciul, einem gigantischen Fremdkörper inmitten einer augenscheinlich völlig abgelegenen Wildnis, gibt es wieder einen kleinen Stand. Danach wird es sehr lange nichts mehr geben.
Der Weg nach der Staumauer ist nicht ganz leicht zu finden (aber mit Trassierband markiert): Man muss sich um ein Betriebsgebäude herummogeln. Dann bin ich aber auf einem herrlichen Trail, auf den ich mich schon seit letztem Jahr freue: ein langer schmaler Weg, hundert Meter über einer tief eingeschnittenen Schlucht, in der ein türkis leuchtender Fluss augenscheinlich friedlich dahinfließt. Dass das nur aus der Ferne so aussieht, verrät das tosende Rauschen, das die Landschaft akustisch prägt.
Daher, wegen der Höhe und auch wegen einschlägiger Erfahrung, die mit einem monatelangen Krankenhausaufenthalt verbunden war, habe ich keinerlei Ambitionen auf ein spontanes Bad und laufe entsprechend vorsichtig. Auch die Rennleitung rät eindeutig von einem spontanen Abstecher in die Tiefe ab, indem sie an einzelnen Stellen die Kante zum Abgrund mit Trassierband absperrend markiert. Der Weg ist auch oben schön genug.
Laut Karte durchqueren wir zwei abgelegene Dörfer, Frassaneit di Sopra und Frassaneit di Sotto, die sich bis auf ein frisch renoviertes Haus mit geschlossenen Fensterläden als längst verlassene Ruinenstätten zeigen. Gut erhalten ist nur der von einer niedrigen Mauer gesäumte Durchgangsweg mit gut laufbaren flachen Stufen. Einmal geht es ein gutes Stück bergauf. Das ist im Höhenprofil als steiler Zacken eingezeichnet. Fast schade finde ich es, als ich die Teerstraße und damit die ersten Häuser von Forni di Sopra erreiche, eigentlich ein malerisches Steindorf, das ich leider wieder einmal nur hastig streifen werde, weil ich eilig auf Durchreise bin. So früh war ich noch nie hier, aber auch noch nie so müde. Auch mein Wasser ist alle, aber das sehe ich gelassen, weil die nächste Life Base nahe ist. Auf der Bitumenstraße in Richtung Forni di Sotto habe ich dann einen richtigen mentalen Hänger- zum Glück jetzt und nicht in schwierigem Gelände. Personen am Straßenrand verwandeln sich in Gartenzwerge, beim Näherkommen in Briefkästen, und im Vorbeilaufen in Büsche. Aus Wichteln werden Hunde oder Katzen und letztendlich Büsche. Ich laufe weiter. Die Umgebung bleibt interessant in ständigem Wandel. Meine Beine sind noch gut – nach über hundert Kilometern! Und ich bin so gut in der Zeit, dass ich zwischendurch noch gut ausschlafen könnte. Wahnsinn! Ich werde den Lauf schaffen, eine Strecke, die ich mir nicht als am Stück laufbar vorstellen konnte, bis ich das Buch „Born to run“ gelesen habe. Und da waren das für mich als stolzen frischgebackenen Rennsteigläufer Phantasiefiguren.
Ich grüße einen Passanten, und einen Autofahrer, zeige jemandem meine Startnummer, weil ich ihn für einen Kontrollposten halte. An einem Friedhof fülle ich kurz meine Wasserflasche. Wer weiß wie weit es für mich noch bis zur nächsten – und letzten – Life Base sein wird. Ewige Minuten später spricht mich ein Autofahrer an: Er habe mich am Friedhof gesehen. Si. Vermutlich wollte er mir eine Mitfahrgelegenheit anbieten. Das hatte ich bei meinen letzten beiden Wanderungen in diese Gegend auch, genau auf dieser Straße. Und damals war mir das jeweils sehr recht. Ich glaube, er erkennt erst jetzt meine Startnummer. Ich lächle, grüße und laufe weiter. Ich verstehe wieder fließend italienisch, ich bin angekommen.
Endlich sehe ich einen weiteren Läufer, den ersten seit der Life Base in Poffabro. Ein junger Kerl überholt mich. Er ruft mir etwas von einer Kirche zu, vielleicht der, an der wir gerade vorbeirennen, und fragt mich, ob ich das verstanden hätte. Der ist wirklich deutlich schneller als ich. Wieso überholt er mich erst jetzt? Gefühlt bin ich bisher sehr gleichmäßig durchgelaufen.
Auf einmal biegt er scharf nach rechts. Ah, die Life Base, in einer Art Gemeindehaus am Ortsrand. Hier gibt es Nudeln, lauwarme Brühe, Wasser in Halb Literflaschen, den letzten Vorratsbeutel und eine Gewissensfrage. Der junge Mann von vorhin rennt bald weiter. Ich wünsche ihm einen guten Weg. Den siehst du bald wieder. Der ist doch viel schneller. Warts ab.
Todsünde
Die Lauwarmen Nudeln tun gut. Ich tausche meine GPS-Batterien aus. Das hat tapfer sehr lange mit einem Satz durchgehalten, aber jetzt ist die Warnmeldung da. Die Lampenbatterien sind frisch, ein Notfallsatz würde bis zum Morgengrauen reichen, die anderen stelle ich zur Verfügung. Auf die trockenen Socken werden sich die von den Tunnels noch durchgeweichten Füße freuen. Ich habe aber noch etwas in meinem Beutel: die neuen Schuhe, die ich fünf Stunden vor dem Start gekauft habe. Soll ich sie ausgerechnet jetzt zum ersten Mal ausprobieren?
Pro:
- 1. Wir wurden wiederholt darauf hingewiesen, dass der letzte Abstieg gefährlich rutschig sein kann. Die neuen Schuhe gelten als besonders rutschfest.
- 2. Meine Füße sind von den Tunnels her völlig durchgeweicht, die Schuhe immer noch patschnass. Trockene Füße wären jetzt sehr angenehm.
Contra:
- 1. So was tut man nicht: Schuhe muss man vor einem Wettkampf gut einlaufen.
Die Treter, die ich anhabe, drücken oder scheuern kein bisschen und sind bewährt. Im Frühjahr bin ich damit stundenlang durch tiefen Pappschnee gerannt.
Ich erzähle dem Betreuer der Station von meinem Dilemma, nachdem er mir den zweiten oder dritten Teller Nudeln gebracht hat. De kennt die restliche Strecke und denkt auch an den letzten Abstieg. Sehr leicht sind beide Schuhpaare. Er schaut sich die Profile an, die Haifischflossen der nassen und die dicken Gummiwürfel der neuen, und rät mir zu den neuen. Davon, dass die noch nie getragen wurden, weiß er allerdings nicht.
Socken wechsle ich sowieso, und ziehe dann – die – neuen Schuhe an. Sind ja nur noch 45 Kilometer, und bis zum Ziel sind die Treter auch eingelaufen.
Du sprichst besser italienisch als englisch. Ist mein Englisch wirklich so schlecht?
Frische Batterien in Lampe und Navi, frische Socken und – Schuhe. Auf geht’s!
Voller Adrenalin laufe ich weiter. Bald geht’s von der Straße links runter in die Büsche. Ich spüre meine linke Achillessehne. Habe ich mit dem Schuhwechsel einen fatalen Fehler gemacht? Der rechte Ballen fühlt sich wundgescheuert an. Ich ziehe den Schuh aus und klebe ein großes Blasenpflaster auf die verdächtige Stelle – mitten in einem halbhohen lichten Wäldchen. Die Landschaft ist einfach herrlich.
Ich renne weiter, noch ist es hell. Bald justiere ich noch einmal die Schnürung meiner neuen Schuhe nach. Jetzt bloß keinen Fehler machen. Der Weg geht erst parallel der Straße zwischen ein paar versteckten Feldern durch ein struppiges Waldstück, dann am Rand einer Häusergruppe am Rand eines Anwesens entlang, und recht plötzlich in die unbewohnte Wildnis. Immer dämmriger wird der buschige Wald. Wo ist die nächste Markierung? Wohin laufe ich? Ich habe den Eindruck, dass ich kreuz und quer, aber vor allem in einer Spirale nach innen laufe, wo sich immer mehr verlassene Landschaften auftun, erst Waldrand und anderes Dickicht, dann ein Saumpfad durch eine Schlucht, dann wieder Gebüsch. Schade, dass es jetzt schon dunkel wird, und ich von der wildromantischen Kulisse immer weniger mitbekomme. Aber ich erinnere mich daran. Letztes Jahr bin ich das Stück in entgegengesetzter Richtung gelaufen, bei einer Bullenhitze. Heute ist es angenehm lau. Und die Beine sind noch gut!
An einem verfallenen Anwesen beginnt wieder ein vor vielen Generationen eingefasster Weg, danach eine Fahrspur, dann ein Fahrweg. War der Hügel letztes Jahr auch schon da? Muss ich nach links oder rechts? Bis ich mein GPS gedeutet habe, schließen gleich ein paar Läufer zu mir auf, außer dem nervösen Jungen von Forni die Sotto die ersten, die mich heute überholen. War ich zuletzt so langsam?
Die neue Teerstraße, die es jetzt hinabgeht, erkenne ich wieder. Bergab bin ich auch wieder schneller und setze mich erst einmal ab – bis mir ein Läufer entgegen kommt. Der eben erwähnte Kollege von der letzten Life Base wirkt frustriert und glaubt, er habe sich verlaufen. Wir müssen doch da runter, meine ich. Bist du sicher? Meint er angriffslustig. Ja. Er wirkt erstaunt, ungläubig, läuft aber dann doch mit, wieder hinunter. Ich deute auf eine ganz dezent angebrachte, aber reflektierende Markierung, und erkläre, dass die nächste Ortschaft Campone heißen wird. Wir sehen rechts unter uns eine Hauptstraße, vor uns Lichter und bald ein Ortsschild: Campone.
Campone scheint ein größeres altes Dorf zu sein. Aber außer einer schummrigen Straßenbeleuchtung ist kaum Licht zu sehen. War ich so lange unterwegs von der letzten Life Base aus? Es war doch gerade noch hell. Wieso sieht man hier keinen Verpflegungsposten? Die Trassier Bänder weisen direkt zur Haupt- und Landstraße hinunter, und dort auf dieser nach rechts. Vielleicht gibt es hier gar keine Verpflegung. Mein Wasservorrat geht langsam zu Neige, aber mir geht’s eh noch gut.
Wir laufen auf ein Auto mit offenem, beleuchteten Kofferraum zu. Ich bin etwas von der Szenerie verwirrt, verstehe aber dann, dass das der Vater des nervösen jungen Läufers sein muss. Die Unterhaltung glaube ich zu verstehen: Wo ist das Ristoro? Ich hab keines gesehen. Du hattest jede Menge Zeit, Dich umzuschauen! Der jungen wirft wütend einen Armling auf den Boden, schaut, als ob er erwarten würde, dass der Vater den aufhebt, und schimpft weiter, während jener halb ratlos, halb trotzig und auf jeden Fall regungslos dasteht. Ich vermute, dass er das nicht zum ersten Mal erlebt, und renne weiter. Hier scheint es gar kein Ristoro zu geben. Rechts an einem Gartenzaun sehe ich einen Wasser speienden Fisch. Der Fisch ist aus Stein, das Wasser echt ;-). Der bärtige Kollege bietet mir Cola an, aber ich freue mich auf frisches Wasser, nehme ein paar kräftige Schlucke, fülle meine Flasche und – renne weiter.
Dabei spiele ich mit der Lauftechnik, finde heraus, wie ich auf meinen Vordermann aufschließen könnte, finde das aber zu anstrengend.
Irgendwann geht es nach links eine kleine Teerstraße hinauf zum Monte Valinis – die letzte Steigung – nur noch 300 Höhenmeter! Die Burschen vor mir ziehen an und sind bald nur noch als Lichtpunkte zu sehen, wenn die Straße eine Kehre macht und direkt am Hang verläuft. Nach und nach werde ich auch noch einige Male überholt. Dabei bin ich gefühlt noch gut unterwegs! Keine Hektik Wir haben noch fast dreißig Kilometer. Ich schaukle das jetzt nach Hause, in meinem Tempo, wie auf den ersten 130.
Die Straße ist langweilig, die Voralpenlandschaft mit viel Wald und heimelige Ruhe ausstrahlenden Lichtungen schön, aber weit, unendlich weit. Trotzdem bin ich gut gelaunt. Ich werde in wenigen Stunden meinen ersten Hundert Meilen Lauf beendet haben, eine Strecke, die ich mir vor zwei Jahren für mich noch nicht vorstellen konnte, nicht einmal im Flachen.
Irgendwann passiere ich ein offenes Tor, hinter dem die Strecke leicht abfällt und die Straße nicht mehr geteert ist. Wo bleibt das Ristoro? Meine Wasserflasche ist schon wieder leer. Vor einem Jahr hätte ich noch doppelt so viel getrunken, aus Angst vor dem Austrocknen. Aber seit einer Untersuchung von Prof. Beat Knechtle weiß ich, dass der Körper bei extremen Ausdauerleistungen ein Hormon ausschüttet, das den Flüssigkeitsumsatz senkt.
Als schon die Geländekante zu sehen ist, bin ich am Ristoro, einem Häuschen, von dem gerade ein paar Läufer aufbrechen. Das dürften die sein, die mich seit Campone überholt haben. Nur den vollbärtigen Kollegen treffe ich drinnen. Der überlegt sich schwer, ob er weiterlaufen soll. Ich lange noch einmal kräftig zu. Schließlich liegen noch 25 Kilometer vor mir, und ein Abstieg, an dem ich schon ein wenig verdauen kann.
Draußen hilft mir jemand, die Spur zum Abstieg zu finden, dem, vor dem mehrfach gewarnt wurde. Sehr steinig ist dieser Weg durch den niedrigen Bergwald, aber trocken. Den hätte ich mit den anderen Schuhen genauso rennen können. Aber auch die neuen sind bombensicher. Exakt so etwas bin ich vor 11 Tagen in der Abenddämmerung gelaufen, auch mit etwa tausend Höhenmetern. Ich höre aus der hell beleuchteten Ortschaft unter mir eine Glocke, bleibe stehen, zähle 10 Schläge. Eine mit hellen Flecken beleuchtete Ebene liegt vor mir. Der Abstieg ist wirklich nicht schwer. Ich schaue nur zu viel.
Mittendrin ist der Weg mit Trassierband abgesperrt. Nach ein paar Ausweichversuchen verstehe ich, dass das nur die Warnung vor einer Wurzel ist, die sich knöchelhoch über den Weg streckt. Mein Gehirn produziert Fehlleistungen.
Endlich erreiche ich Meduno. Hier geht es auf einer Teerstraße steil bergab weiter. Gehwege habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die Kirchturmuhr schlägt schon wieder. War ich über eine Stunde auf dem kurzweiligen Abstieg unterwegs? Müsste nicht bald ein Ristoro kommen? Ich schaue nicht auf Karte oder GPS, sondern folge weiter den Markierungen. Schon habe ich das große Dorf durchquert und bin auf einer Landstraße mit Gehweg. Ich laufe etwas verhalten, weil ich ständig nach einem Ristoro umschaue. Außerdem sind die Markierungen relativ weit auseinander und auf der linken Straßenseite, während der Gehweg rechts verläuft. Stellenweise wirkt die Strecke wie ein gigantisches verschlungenes Autobahnkreuz, vor allem, als die Straße auf einer hohen Brücke einen Fluss mit mehreren parallelen Wegen quert. Die Markierungen müssen Recht haben. Irgendwo hier muss laut Briefing der Weg geändert worden sein, weil der ansonsten ausgetrocknete Fluss ausnahmsweise etwas Wasser führt.
Mindestens zweimal sehe ich im letzten Moment einen reflektierenden Pfeil, der in eine Seitenstraße weist. Vermutlich ist dieser aber mit Stirnlampe nicht zu übersehen, und das sieht nur nach einem Zufall aus.
Die relativ lange Strecke entlang der Landstraße dürften wir der Streckenänderung zu verdanken haben. Irgendwann geht es dann doch nach links in die Vor-Vororte, an immer größeren Gärten vorbei und schließlich ohne Gehweg bergab in Richtung eines Sportplatzes. Dort gibt es der Musik nach ein Fest, ganz bestimmt Bier und schöne warme fettige Sachen vom Grill. Die Markierungen führen vorbei . Ich lande an einem abgelegenen Stand. Dort gibt es Tee, Wasser, Süßigkeiten und etwas Salzgebäck. Die netten Leute bieten mir eine Decke an und sind erstaunt, dass ich gleich weiterlaufen will.
Nebel aus der Urzeit
Jetzt sind es nur noch 18 Kilometer. Ich bin voller Adrenalin. Aufhalten kann mich jetzt nichts mehr. Der Weg führt in ein unübersehbar breites Flussbett. Der Untergrund ist streckenweise grob wie eine frisch angeschwemmte Kiesbank an der Isar. Das macht langsam, strengt an, ist für mich aber wie ein Heimspiel. Nebel zieht auf – in Bauch- und Augenhöhe. Das kenne ich von früher, als ich in einer Moorlandschaft gewohnt habe. In diesem Fall bringt mir die Erfahrung aber nichts: Daheim habe ich jeden Meter gekannt und war selten im Dunklen unterwegs. Der Nebel bringt Kälte. Zum ersten Mal ziehe ich mein langes Merinohemd an. Das reicht nicht, ich drehe mein Schlauchtuch, das ich um den Hals trage, zu einer Mütze. Passt und tut gut.
Mit mehr Glück als Verstand finde ich immer wieder die Markierungen. Wach halten mich letztendlich Gestalten, die urplötzlich aus dem Nebel auftauchen: bedrohlich flatternde Flugsaurierskelette, die immer wieder von oben meinen Weg anpeilen. So wirken die schütteren Bäumchen mit ihren gefiederten Blättern, die vereinzelt oder in kleinen Grüppchen den Weg säumen. Danke, ihr haltet mich wach, in dieser öden wunderschönen Landschaft. Die Laufkollegen weit hinter mir werden hier in ein paar Stunden einen unvergesslichen Sonnenaufgang erleben.
Selber laufe ich gegen Ende der Geisterstunde eine Rampe hoch in ein Dorf mit Straßenbeleuchtung, und treffe auf ein mit einem Mann besetztes Ristoro-Tischchen. Der Helfer kann heuer wegen Knieproblemen nicht mitlaufen. Ich trinke ein paar Becher. Der Mann rät mir zu mehr, da es noch 13 Kilometer bis zum Ziel seien. Ich zeige ihm meine volle Flasche.
Endspurt!
🙂 🙂 🙂 🙂
Wieder geht es ins Flusstal. Der Weg ist aber immer öfter fest, streckenweise sogar geteert. Wo bin ich? Müsste mir nicht langsam etwas bekannt vorkommen? Ich habe den Eindruck, mir folgt jemand. Ich versuche, Gas zu geben. Mir geht’s noch gut, aber ich komme nicht schneller voran. Auf einer Allee kommt mir ein Radfahrer entgegen. Der trifft einen Fußgänger wenige hundert Meter hinter mir. Hat mich echt jemand eingeholt – trotz meines souveränen Endspurts? 😉 Egal, ich werde es schaffen. Der Weg steigt an zu einer Landstraße. Wohin? Links. Die Straße führt mich nach Basaldella. Das ist das Nachbardorf, wo ich am Donnerstag Mittag gegessen habe! Jetzt ist es wirklich nicht mehr weit. Die Häuser habe ich alle schon gesehen. Tagsüber war da auch nicht viel mehr los. Ein Mann fragt, ob der Pulk jetzt durch sei. Noch lange nicht.
Den Zaun des Militärgeländes kenne ich auch. Noch höchstens ein Kilometer. Mich staucht’s zusammen. Was war das? Eine Mulde? Egal, ich laufe noch. Da vorne sind die Lichter von Vivaro.
Die Uhr schlägt 3, als ich das Ortsschild erreiche. Wir sind mit 5 Minuten Verspätung gestartet, ich werde also exakt 33 Stunden für die hundert Meilen brauchen. Der Turbo zündet. Ich spüre einen Ruck, der mich fast aus dem Gleichgewicht bringt. Die Beine haben genug, wollen ans Ziel, verdoppeln mein Tempo, so dass ich einen Satz nach vorne mache und praktisch sprinte. (Vermutlich habe ich jetzt normales Joggingtempo) Wieso nicht früher? Das Hotel rast an mir vorbei, die Pizzeria, die nur abends auf hat, die Apotheke, eine Straßensperre, und noch eine, hinter der mich jemand heranwinkt, kurz nach rechts, durch einen Bogen, und ich bin am Ziel. Der Rennleiter gratuliert mir. Alles OK? Bestens; Tutti Paletti. Sabrina überreicht mir eine Fleece Weste. Finisher! Ein Foto. Ähm, ich hab in der kalten nebligen Steinwüste meinen knallroten Buff zu einer unförmigen Mütze gedreht. Na gut, das ist authentisch Hunger. Durst. Wo ist das Bier? Die Stände sind am Abbauen. Ich bekomme noch Bier, und die letzten beiden belegten Pannini, frisch an getoastet. Von den vier Bechern Bier kann ich nur einen selber zahlen, weil ein junger Mann mir immer wieder einen spendiert. Vielleicht will er mich abfüllen. Jedenfalls tut das gut. Ich gehe ins Hotel. Heute wird noch ein langer Tag.
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