St. Jakob
Montag, 15.08.2011
Der Wirt vorgestern hatte Recht: Das Wetter ist komplett umgeschlagen; Die Berge sind nicht mehr zu sehen. Mir vergeht die Lust, weiterzulaufen. Bei Nebel und Regen macht eine Passquerung wenig Spaß, das kenne ich vom Rad fahren, und im Gebirge ist es außerdem noch gefährlich, und einen Pass muss ich nehmen. Die niedrigste Variante ginge immer noch auf 2200 Meter. Erst geh ich mal frühstücken. Im Frühstücksraum bekomme ich erst eine Kanne Kaffee. Sobald die ersten Schlucke mich wärmen, kommt eine kräftige küchenweiß gekleidete freundliche Frau mit einem großen Tablett voller feiner Sachen herein. Zusammen passen der übervolle Brotkorb, Marmeladenschalen, die Wurst-, Käse- und Fleischplatte, großes Joghurtglas, Ei und Saft gar nicht auf den Tisch. Das wird eine Aufgabe, meine ich zu der Frau, aber das werd ich hinkriegen. Sie meint streng, das möchte sie schon meinen.
Nach dem Frühstück frage ich die Frauen, die Chef-Chefin, also die Frau vom Wirt, und die Ober-Chef-Chefin, die Mutter des Wirts, ob ich noch eine Nacht dranhängen darf. Ich darf.
Im Dorf treffe ich gleich auf eine Attraktion des Tages. Die örtlichen Schützen, etwa zehn Mann in Tracht, halten eine Parade ab. Als sie synchron einen Schuss abgeben, fängt ein Kleinkind furchtbar zu heulen an.
Ich gerate auf einen Lehrpfad mit dem Thema „Wasser“. Im Tourismusbüro kann man sich Medien dazu kaufen. Mit denen kann man an den ausgezeichneten Stationen lesen bzw. hören, was es interessantes gibt. Ich rate an Hand der Örtlichkeiten. Ein Buch wäre mir für den weiteren Weg zu schwer, und würde bei dem heutigen Wetter sowieso aufweichen.
In der Pizzeria neben der Seilbahnstation erzählt ein Wiener Radiosender von einem Regengebiet, das erwartet wird. Ich weiß, wo das sich momentan aufhält.
Hier hat sogar mitten am Feiertag ein Sportgeschäft geöffnet. Da ich in kurzer Kleidung laufe und Italien vor der Tür steht, kaufe ich dort eine Reservepackung Sonnencreme. Und weil ich meine Sonnenbrille kurz vor der Abreise verloren habe, und mein Aufsteckprovisorium mich mit seinem Geklapper nervt, erstehe ich eine Art Skibrille, die ich über meine Brille anziehen kann.
Am Nachmittag lässt der Regen nach und lässt mich einen gemächlichen und sehr entspannenden Spaziergang am zweiten Teil des Wasserwanderwegs machen.
Dabei entdecke ich auch eine Quelle mit schwefelhaltigem Wunderwasser, das in einer Art Mischung zwischen Viehtränke und Kneippanlage aus dem Boden und einem Rohr drückt. Ich mache ein Fußbad und fülle eine Wasserflasche mit der duftenden Flüssigkeit, die übrigens gar nicht so schlecht schmeckt, wie sie riecht.
Große Lehrtafeln mit Fotos und viel Text weisen darauf hin, dass es hier auch schöne und interessante Tiere und Pflanzen gibt. Stolz bin ich auf den fast endemischen wippenden Vogel, dessen Beschreibung ich auf einer Lehrtafel sehe, und der mir eine halbe Stunde später über den Weg läuft – wippt.
Gegen Abend gehe ich doch noch ins Museum. Mich interessiert die Siedlungsgeschichte in den Alpen. Hier wurde zum Beispiel in einem See in 2000 Meter Höhe ein vorgeschichtlicher Einbaum gefunden, der mit seinen zwei Kammern ziemlich sicher zum Fischen bestimmt war. Das Teil ist sogar recht gut erhalten.
Beim Abendessen wundert die Bedienung sich ein wenig, dass ich „kaum“ unterwegs war.
Naja, eigentlich regeneriere ich ja gerade. – Ich laufe relativ kurze Etappen ohne Zeitdruck. Und heute habe ich mich von der Regeneration regeneriert. Und irgendwann werde ich diese herrliche Tour jemand anderem zeigen. Und ich weiß, dass die kommenden Etappen genauso schön sein werden.
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- Die Idee
- Die Vorbereitung
- Warten
- Anlauf
- Aus der Karte gelaufen und kein Schulbus
- Rush Hour im Märchenland
- Tauernpass, Nasenbluten, Vorfreude mit Gletscherblick
- Gletscher, Sturzbäche, Edelweiß
- Ruhetag mit Knalleffekt und Schwefel
- Mit allen Mitteln nach Italien, auch zu Fuß
- Verlaufen, versumpft, traumhafte Szenerien
- Sonne, Siesta und ein geduldiger Steinbock
- Heiße Traumetappe auf bekannten Wegen
- Auf Rommels Spuren durch Dinoland und durch Tunnels auf die Zielgerade
- Zugabe: Durch das Land von Franz dem Bären
- Ein Zuckerl zum Abschluss