An einer anderen Stelle verkauft eine ältere Frau Kaktusfeigen. Die sind in ihrer festen Schale sicher verpackt. Daher sind sie erstens problemlos zu verstauen, und ich habe außerdem keine Angst vor bösen fremden Bakterien, wenn ich das frische Fruchtfleisch aus der Schale nehme.
Als ich nach dem Preis frage, bedeutet mir die Frau, dass ich ihr ein Geldstück hinlegen soll, und sie mir dann die entsprechende Menge in die Tüte füllt, die ich extra für diesen Zweck dabei habe. Ich gebe ihr einen halben Dirham. Dann kann ich ja eine der paar Feigen probieren, die ich dafür bekomme, und entscheiden, ob ich noch mehr will. Die Frau, die einen recht mürrischen Eindruck macht, bittet mich mit Handzeichen, die Öffnung meiner Tüte aufzuhalten. Dann greift sie mit beiden Händen in den Haufen Feigen, der neben ihr liegt, und füllt eine gute Portion in die Tasche. Als ich mich bedanken will, hat sie schon die nächste Ladung in den Händen. Die Frau ist wirklich ehrlich und gibt auch einem Europäer etwas für sein Geld. Als ich die Tüte zumachen und mich bedanken will, brummt sie unwirsch etwas und lädt die Tüte weiter voll. Während ich staunend die Menge an kleinen hartschaligen Früchten in meiner Tüte betrachte, lädt die Frau mit abschätzigem Blick weiter nach. Am Ende habe ich gut ein Kilo Kaktusfeigen und kann mich gar nicht genug bedanken, bevor ich weiterfahre und einen ruhigen Platz suche, um die wasserhaltigen Früchte zu verspeisen. Hier gibt es genug Wald, um auch in der Nähe der Hauptstraße ungestört eine Essenspause einlegen zu können.
Da es an diesem Tag recht heiß ist und in Marokko ständig Fußgänger unterwegs sind, fragen mich ein gutes Stück vor Asilah zweimal Leute nach einem Schluck Wasser. Gerne gebe ich einen Schluck von meinen Vorräten ab. Ein junger Mann, der keine Fremdsprachen zu kennen scheint, erklärt mir wortlos mit Gesten, dass ich ein gutes Herz habe.
In Asilah erstehe ich zwei neue Wasserflaschen, Brot und eine Tafel Schokolade für alle Fälle. Käse und Obst habe ich noch genügend. Ich kann es noch nicht richtig fassen, dass ich bis Tanger keine fünfzig Kilometer mehr zu fahren habe, dass die Uhrzeiger noch den frühen Nachmittag anzeigen und dass es überhaupt nicht zu heiß zum Fahren ist. Das heißt, wenn ich unbedingt wollte und sofort eine Fähre erwischen würde, könnte ich schon heute abend in Europa sein. Aber eine so fluchtartige Abreise hat das schöne Land nicht verdient. Außerdem habe ich mir ja vorgenommen, Tanger zu umfahren und über Sebta auszureisen. Das sind gut sechzig Kilometer mehr. So, wie ich jetzt in der Zeit liege, könnte ich diesen spanischen Einschluss morgen Vormittag erreichen und hätte danach einige Stunden Zeit, mich ohne Hektik um die Überfahrt zu kümmern. Da diese nicht sehr lange dauern kann, würde ich auch in Spanien noch Zeit haben, die Hafenstadt Algeciras zu verlassen und in einem kleineren Ort zu nächtigen. Aber noch ist Tanger nicht erreicht, und erst recht nicht Sebta.
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