Am späteren Nachmittag sind wir natürlich wieder bei Mohammad. Heute soll mir die Gelegenheit geboten werden, Souvenirs zu erstehen. Ich erkläre Ahmad zwar, dass ich nicht das geringste Interesse daran habe, aber er versichert mir, dass ich nichts kaufen müsse. Der Abwechslung wegen willige ich ein. Gleichzeitig nehme ich mir aber vor, nicht das Geringste zu erstehen. Du musst nichts kaufen – gut, ich werde nichts kaufen. Garantiert führt er mich deshalb auf den Markt, weil er mit einem Händler eine Provision für seine Vermittlung vereinbart hat. Ich habe gehört, das sei so üblich. Das ist natürlich Ahmads gutes Recht, aber heute werden er und sein Händler mit mir nur einen Zeitverlust verbuchen können. Auf jemanden, der eine Vorauszahlung auf eine Tagestour als alleiniges Risiko des Kunden betrachtet, muss man in dieser Hinsicht keinerlei Rücksicht nehmen. Soll er schwitzen und sich mit mir blamieren!
Ahmad führt mich in den Markt hinein, der direkt vor dem Restaurant beginnt. Ein paar Schritte nach links und dann wieder rechts, und dann sehen wir auf der rechten Seite unser Ziel, einen Souvenirladen. Das Geschäft steht auf einer ungefähr einen Fuß hohen Tribüne und ähnelt mit seinen übersichtlichen Regalen eher einem Ladengeschäft als einem Marktstand. Der Verkäufer ist sehr freundlich und bittet uns in seinen Laden. Was wollen Sie kaufen? Nichts. Ahmad schaut nicht erfreut über über meine Antwort aus, aber er strahlt eine Art Siegesgewissheit aus. Er meint, dass ich mir die Sachen wenigstens anschauen könne. Aber ich kaufe nichts. Diesmal bin ich vorsichtiger als in dem Teppichgeschäft und sorge gleich für klare Verhältnisse. Wenn ich das Angebot von Anfang an konsequent ablehne, kann mir niemand vorwerfen, ich hätte irgendeine Gastfreundschaft missbraucht.
Ahmad deutet auf die Regale mit hübschen Souvenirs und meint, da wären doch schöne Sachen für die Bekannten und Verwandten in Deutschland dabei. Schon, aber ich möchte den Kram nicht dreitausend Kilometer auf dem Rad mitschleppen. Er kann immer noch nicht glauben, dass ich den Heimweg auf dem Fahrrad zurücklegen werde, geht aber auf den Einwand ein: So eine Teekanne wiegt doch kaum etwas. Aber sie nimmt Platz weg. Aber du kannst etwas hineintun; fühl mal, wie leicht so eine Kanne ist. Sobald ich die Teekanne angefasst habe, tritt der Verkäufer (der von der Unterredung kein Wort verstanden hat) wieder auf den Plan. Such dir eine Kanne aus, sie haben alle den gleichen Preis. So? Zwar finde ich, dass eine Teekanne für mich das passende Souvenir überhaupt wäre, aber wenn, dann kaufe ich so ein Teil frühestens kurz vor der Ausreise aus Marokko.
Da sich die beiden nicht abschütteln lassen werden, will ich die Zeit nutzen, um eine Verhandlungstaktik auszuprobieren: Ich will den Verkäufer beim Wort nehmen: Alle Kannen haben den gleichen Preis. Ich werde die schäbigste Kanne aussuchen und sie an Hand ihrer Mängel herunterhandeln; sobald der Preis lächerlich niedrig ist, werde ich auf die Vereinbarung mit dem Einheitspreis zurückkommen und für den ausgehandelten Preis die schönste Kanne verlangen. Danach habe ich entweder eine sehr günstige Teekanne im Gepäck, oder es gibt einen Händler weniger, der mir etwas verkaufen will. Die zweite Möglichkeit würde ich bevorzugen.
Zur Auswahl stehen zwei Arten von Teekannen: filigran gearbeitete silberne Kännchen, die so aussehen wie die in den Teehäusern, und welche aus einem gelblichen Metall, die kleiner sind, aber dennoch klobig aussehen und bei denen anstatt schmückender Verzierungen Materialfehler ins Auge fallen. Beide kosten hundert Dirham. Ahmad rät mir zu der silbernen. Für die würde ich mich auf jeden Fall auch entscheiden, der Taktik halber wähle ich aber die verhaute. Ahmad ist entsetzt: Die ist zwar aus Kupfer, aber die andere ist silberhaltig und viel schöner. Sie ist zwar größer, aber leichter. Ich weiß das selber – und bleibe bei der hässlichen.
Sogleich mache ich den Verkäufer auf einen der Materialfehler aufmerksam, um den Preis zu senken. Der lässt sich dadurch nicht beeindrucken: Das ist ein Zeichen für Handarbeit, marokkanische Handarbeit. Mit kritischem Blick drehe und wende ich das Kännchen in meiner Hand. Made in Thailand ist auf dem Boden eingeprägt. Belustigt über diese Entdeckung frage ich, was diese Inschrift bedeutet. Zu meiner Verwunderung können sie weder er noch Ahmad entziffern: Das ist die Signatur des Handwerkers. Ich gehe nicht weiter auf diesen Punkt ein, dafür weiß ich jetzt, dass ich dem Verkäufer nichts zu glauben brauche und ihn nicht bemitleiden muss, wenn er leer ausgeht. Oder hieß der Handwerker tatsächlich ,,Made in Thailand“? Vielleicht wurde aber auch der Händler selbst von einem Zwischenhändler übers Ohr gehauen.
Fast zu bald stellt der Verkäufer die Frage, ob ich mich überhaupt für die Kanne interessiere. Ahmad hat ihm demnach der Provision halber nicht davon unterrichtet, dass ich eigentlich nicht kaufwillig bin. Als ich das klarstelle, geht der Verkäufer schnell mit dem Preis runter. Ich versuche, meine Taktik zu erklären, mit dem Ergebnis, dass zu Ahmads Erleichterung wieder die silberne Kanne im Gespräch ist. Daraufhin lehne ich vier bis fünfmal ein Angebot mit jeweils deutlichem Preisabschlag ab, und schließlich kostet die Kanne nur noch vierzig Dirham. Als ich auch dieses wirklich günstige Angebot nicht annehme, bleibt dem Verkäufer nichts anderes übrig, als höflich meinen Abschied zu erwidern. Obwohl es ein Schnäppchen gewesen wäre, bin ich doch froh, mein Gepäck nicht damit belastet zu haben.
[sb_grandparent]